Athletiktraining im

Nachwuchsfußball

Wieso, weshalb, warum?

 

 

 

Sportwissenschaft- und verbände sind sich einig: Athletiktraining ist ein wichtiger Baustein in der Jugendausbildung, auf den in keiner Sportart verzichtet werden sollte. Denn ohne ein sportartbegleitendes Athletiktraining bleiben die Spieler nicht nur hinter ihren physischen, sondern auch hinter ihren technischen und taktischen Möglichkeiten zurück.

Dennoch kommt Athletiktraining im Amateurfußball bisher immer noch kaum – oder oftmals nicht richtig – zum Einsatz. Dabei ist der Nutzen für Kinder und Jugendliche in allen Leistungsklassen riesengroß.

In unserem ersten Blog-Beitrag erfährst Du, welchen wichtigen Beitrag Athletiktraining zur sportlichen Entwicklung von Kindern- und Jugendlichen leistet.

Lesedauer: circa 7 Minuten

WIESO IST DAS SO?

Einfluss auf die Prävention

Abstoppen, Richtungswechsel sowie die Landung nach einem Sprung sind Bewegungsabläufe mit hohem Verletzungspotenzial. Ein ungleiches Kraft-, Längen- oder Spannungsverhältnis in der Muskulatur kann dabei zu Verletzungen wie Kreuzbandrissen oder Sehnenrupturen führen.

Hier setzt das Athletiktraining an, indem es für eine angemessene Balance in der Muskulatur sorgt und die Beinachse stabilisiert.

So kann beispielsweise das Risiko für Kreuzbandrisse, Verletzungen der Hamstrings (Oberschenkelrückseite) und Verletzungen des Sprunggelenks um 50 – 75 % reduziert werden. (1) (2)

Darüber hinaus verbessert Athletiktraining die Propriozeption (die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum) und unterstützt Kinder- und Jugendliche beim Erlernen gesunder Bewegungsmuster.

Im Hinblick auf die Prävention ist Athletiktraining daher im Amateurfußball – und insbesondere im Nachwuchsbereich – genauso notwendig wie im Profifußball, wenn nicht sogar noch notwendiger. Denn während im Profisport nach einer Verletzung ein ganzes Expertenteam aus Ärzten, Physiotherapeuten und Athletiktrainern zur Verfügung steht, sind Amateursportler während der Rehabilitation weitestgehend auf sich allein gestellt. Viele Sportler beenden ihre Laufbahn aufgrund von Verletzungen, die mit einem entsprechenden Training vermeidbar gewesen wären, frühzeitig. Darüber hinaus bleiben Schmerzen und Bewegungseinschränkungen oft ein Leben erhalten.

Das Thema Verletzungsprävention wird hier daher zukünftig eine zentrale Rolle spielen. Wir erklären klassische Verletzungsmuster und zeigen Euch präventive Maßnahmen dagegen.

Je früher mit einem sportartbegleitenden Athletiktraining begonnen wird, desto besser stehen die Chancen, möglichst lange mit Freude Fußball zu spielen zu können.

(1) Tischer T, Besenius E, Lutter C Seil R. Primärprävention von Sportverletzungen und -schäden. Sports Orthop. Traumatol. 2021; 37; 4-9

(2) VBG -Sportreport 2020

Einfluss auf die Motorik

Unter dem Begriff „Motorik“ sind alle vom Gehirn gesteuerten Bewegungen zu verstehen. Ein wesentlicher Bestandteil der Motorik ist die Koordination. Sie ist entscheidend für die Präzision von Bewegungen und bildet die Grundlage für komplexe Bewegungsabläufe.

Motorik und Koordination sind nicht angeboren, sondern müssen erlernt werden. Der Alltag von Kindern und Jugendlichen bietet dazu jedoch heute leider nicht mehr die gleichen Möglichkeiten wie beispielsweise noch vor 50 Jahren.

Statt stundenlangem Klettern, Hüpfen und Toben im Freien besuchen viele Kinder heute Ganztagsschulen und werden anschließend im Auto von einem Ort zum nächsten transportiert – zum Musikunterricht, zum Sport oder zu Freunden. Bewegung findet heute hauptsächlich in organisiertem Rahmen statt. Je nachdem, welche Sportart Kinder betreiben, leidet darunter vor allem die Bewegungsvielfalt.

Verglichen mit Turnen oder auch verschiedenen Kampfsportarten, ist Fußball in Bezug auf die Motorik ein eher einseitiger Sport, der keine große Bewegungsvielfalt bietet. Laufen und Springen sind die vorrangigen Bewegungsmuster.

Während in vielen Sportarten bereits großen Wert auf eine vielseitige und allgemeine motorische Ausbildung im Kindesalter gelegt wird, gilt im Fußball oft immer noch die Devise bolzen, bolzen, bolzen. Vor dem Hintergrund, dass unorganisierte Bewegung bei Kindern und Jugendlichen deutlich ab, die Bewegung im Verein hingegen aber deutlich zugenommen hat (vergl. Motorik Modul 2017) , ist diese Vorgehensweise im Bambini und G-Jugend-Alter absolut nicht mehr zeitgemäß.

Kinder benötigen eine große Vielfalt an Bewegungserfahrung für eine gesunde Entwicklung. Darüber hinaus steigert eine vielseitige allgemeine motorische und koordinative Ausbildung im Kindesalter die sportartspezifische Leistungsfähigkeit im Erwachsenenalter. Sportler, die als Kind vielfältige Bewegungserfahrungen gesammelt haben, sind langfristig besser trainierbar und weisen ein höheres Leistungspotenzial auf (vergl- Korobkov in Weineck 2007, 793)

Ein abwechslungsreich gestaltetes Athletiktraining, das immer wieder neue Bewegungsmuster und koordinative Anforderungen integriert, kann hier ergänzend zur jeweiligen Sportart einen bedeutenden Beitrag zur motorischen Entwicklung leisten.

Einfluss auf die Haltung

Eine weitere besorgniserregende Begleiterscheinung des geänderten Bewegungsverhaltens von Kindern und Jugendlichen sind Haltungsschwächen, die bei über der Hälfte aller Grundschüler auftreten. In einer Studie der Saar Universität wiesen sogar 60% der untersuchten Kinder Haltungsschwächen auf. (1)

Meine eigenen Erfahrungen als Trainerin in verschiedenen Sportvereinen und auch als Mutter ergeben das gleiche Bild. Auswirkungen einer abgeschwächten Muskulatur wie Rundrücken und Valgus-Stellung (X-Beine) sind bei Kindern und Jugendlichen sehr häufig zu beobachten.

Auch hier liegt die Ursache in dem bereits thematisierten Mangel an Bewegungsvielfalt. (s. Textabschnitt Einfluss auf die Motorik)

Je vielseitiger sich ein Mensch bewegt (laufen, klettern, hüpfen, hangeln, kriechen, drücken, ziehen, beugen, strecken etc.) desto mehr Muskeln beansprucht er. Wenn die Muskeln ihre funktionellen Aufgaben regelmäßig ausführen, bleiben sie stark und leistungsfähig. Um zu verstehen, wie wichtig dies für unsere Haltung ist, muss man Bedenken, dass die Muskulatur als Teil des aktiven Bewegungsapparat unseren passiven Bewegungsapparat, d.h. unsere Knochen und Gelenke erst in Form bringt. Ohne die Muskulatur würde unser Skelett in sich zusammen sacken.

Ein ausgewogenes Kraft-, Längen- und Spannungsverhältnis in der Muskulatur sorgt für eine aufrechte und gesunde Körperhaltung und Biomechanik. Haltungsschwächen und Fehlstellungen weisen hingegen auf Dysbalancen und Asymmetrien in der Muskulatur hin. Ein regelmäßiges Fußballtraining kann solche Erscheinungen zusätzlich fördern, da hier einige Muskelpartien stärker zum Einsatz kommen als andere.

Mithilfe eines funktionellen und ausgewogenen Athletiktrainings kann die Muskulatur wieder in ein angemessenes Verhältnis gebracht und Haltungsschwächen korrigiert werden. Je früher damit begonnen wird, desto schneller lassen sich Ergebnisse erzielen.

Wird eine entsprechende Korrektur von Haltungsschwächen und Fehlstellungen hingegen versäumt, sind Verletzungen in einem laufintensiven Sport wie Fußball vorprogrammiert. Bei jedem Sprint, Sprung oder Richtungswechsel kommt es zu einer Fehlbelastung des passiven Bewegungsapparates, die über kurz oder lang zu Schmerzen führt.

Eine Verbesserung der Körperhaltung und Beinachsenstellung spielt somit eine ganz entscheidende Rolle in der Primärprävention von Sportverletzungen und hat oberste Priorität in Kinder- und Jugendtraining. Dabei zeigt oft schon das Training mit ganz simplen Grundübungen große Wirkung.

Auf das Thema Haltungsschwächen und deren Korrektur werden wir in weiteren Beiträgen detaillierter eingehen und entsprechende Übungen vorstellen.

1) Studie Kid Check der Saar Universität

Einfluss auf die Technik

Neben der Koordination, auf deren Bedeutung bereits im vorangegangen Abschnitt Einfluss auf die Motorik näher eingegangen wurde, muss auch die Stabilität eines Spielers gut ausgeprägt sein, um sportartspezifische Bewegungen wie Passen, Dribbeln und Finten präzise und schnell ausführen zu können. Bei gleichem Talent, weisen Spieler mit besserer Stabilität immer auch eine bessere Technik auf.

Ganz gleich ob Fußball, Schwimmen oder Skispringen: Das Training der Rumpfstabilität bildet in jeder Sportart die Basis des Athletiktrainings, denn ein stabiler Rumpf hat großen Einfluss auf

 

  • die Kraftentwicklung in den Extremitäten (Arme und Beine)
  • die Prävention und den Schutz der Wirbelsäule
  • die sportartspezifische Technik

Der Mensch verfügt über zwei Arten von Muskulatur. Verantwortlich für die Stabilität ist die Haltemuskulatur. Sie unterscheidet sich von der Bewegungsmuskulatur vor allem in ihrer Funktion. Während die Bewegungsmuskulatur vorwiegend für grobmotorische Handlungen zuständig ist, stabilisiert die Haltemuskulatur das Skelett und ermöglicht präzise Bewegungen, wie sie für eine saubere Technik erforderlich sind.

Da im Alter zwichen 8 bis 12 Jahren die größten Fortschritte im Erlernen der Technik möglich sind, liegt nahe, dass in dieser Zeit auch das Training der Stabilität nicht vernachlässigt werden sollte. Nur so lässt sich eine bestmögliche Entwicklung erzielen.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um Stabilität schon im Vorschulalter auf spielerische und kindgerechte Art zu trainieren. Freut Euch auf Tipps, Anregungen und Ideen dazu in weiteren Blog-Beiträgen.

Einfluss auf die Leistung

Die Leistungsfähigkeit im Fußball setzt sich aus sehr vielen Faktoren zusammen, die sich größtenteils beeinflussen. Die Athletik ist nur eine davon, aber eine bedeutende, denn sie schafft die körperlichen Voraussetzungen für stabile technische, taktische und psychische Leistungen im Wettkampf. (1)

Im Athletiktraining mit Kindern und Jugendlichen sollte allerdings nicht der sofortige Leistungszugewinn im Vordergrund stehen (genauso wenig wie das Gewinnen von Spielen in der Sportart an erster Stelle stehen sollte). Vielmehr geht es darum, solide Grundlagen zu schaffen, auf die sukzessive aufgebaut wird, um spätere Höchstleistungen zu ermöglichen. (Nichtsdestotrotz stellen sich natürlich bei regelmäßigem Training auch zeitnah spürbare Verbesserungen der Wettkampfleistung ein.)

So wie im Fußballtraining so ist auch im Athletiktraining eine Gliederung in verschiedene Stufen – vom Grundlagentraining über das Aufbautraining bis hin zum Höchstleistungstraining – sinnvoll und notwendig.

Bestmögliche Ergebnisse im Erwachsenenalter werden erst über einen systematischen und langfristigen Aufbau der Athletik erzielt. Nur wenn im Kindesalter vielseitige motorische und koordinative Grundlagen gelegt wurden und präventiv alles getan wurde, damit die Spieler möglichst verletzungsfrei bleiben, kann im Erwachsenenalter ein Optimum an Leistung erzielt werden.

Auf die einzelnen Entwicklungsstufen im langfristigen Leistungsaufbau der Athletik gehe ich in einem der nächsten Blog-Beiträge näher ein.

(1) Stiehler/Konzag/Döbler 1988, 108

Einfluss auf das Potenzial

Durch den Fortschritt der Sportwissenschaft wird das Training in vielen Sportarten immer effektiver. Die Leistungsfähigkeit im Profisport wird fortlaufend optimiert und die athletischen Anforderungen immer größer. So hat sich z.B. die Laufleistung während eines Bundesligaspiels seit den 60er Jahren mehr als verdoppelt.

Diese Entwicklung zusammen mit der stark gestiegenen Anzahl an Pflichtspielen stellt eine hohe Belastung für die Spieler dar. Dem gegenüber steht der immer frühere Eintritt von jungen Talenten in den Profisport. Vereinzelt geben Spieler heute bereits mit 16 oder 17 Jahren ihr Debüt in der Bundesliga.

Ein systematischer und langfristiger Aufbau der Athletik ist daher unumgänglich, um diese jungen Talente vor Verletzungen zu schützen. Fälschlicherweise wird immer noch als „Verletzungspech“ abgetan, was vielmehr auf das Versäumnis einer systematischen und langfristigen athletischen Ausbildung als Heranführung an den Profisport zurückzuführen ist. Aktuell findet man zahlreiche Beispiele von jungen Talenten, die aus athletischer Sicht noch nicht reif für den Profifußball waren und verletzungsbedingt kurz nach ihrem Profidebüt erst ein Mal pausieren mussten.

Ein im Kindes- und Jugendalter begonnenes Athletiktraining, das die Spieler systematisch bis in den Profifußball begleitet, schützt nicht nur vor Verletzungen durch plötzliche Überbelastung, sondern ermöglicht zudem auch einen größeren Leistungszuwachs in späteren Jahren.

Einige Sportverbände haben bereits gute Arbeit geleistet und entsprechend langfristige Athletikkonzepte erarbeitet.(1), (2), (3) Es bleibt zu hoffen, dass auch im Fußball die Lücke zwischen athletischer Ausbildung im Nachwuchsbereich und gestiegenen Anforderungen im Profisport in naher Zukunft durch ein systematisches Athletiktraining geschlossen wird.

(1) Athletikkonzept Deutscher Handballbund
(2) Athletikkonzept Deutscher Basketballbund
(3) Athletikonzept Deutscher Volleyballverband

Und nun?!?

Wie aber lässt sich Athletiktraining nun in den Trainingsalltag der Vereine integrieren?

Während im Leistungssport qualifizierte Athletiktrainer zur Verfügung stehen, bilden diese in den Amateurvereinen bisher eher noch die Ausnahme als die Regel. Oft ist die Notwendigkeit eines sportartbegleitenden Athletiktrainings nicht bekannt oder die personellen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen dafür sind nicht gegeben. Was also tun? Auf die idealen Voraussetzungen warten?

Ein Statement aus dem Vorwort des Athletikkonzeptes des Deutschen Handball Bundes bringt es auf den Punkt:

Es liegt nahe, dass nicht in allen Vereinen die idealen Voraussetzungen geschaffen sind, um optimales Athletiktraining anbieten zu können. Aber auf die idealen Bedingungen zu warten und auf dieses in allen Entwicklungsstufen und Leistungsbereichen bedeutsame Entwicklungsfeld zu verzichten, ist keine Lösung.

Athletiktraining dient nicht ausschließlich der Leistungsoptimierung, sondern vor allem auch der Gesunderhaltung und Prävention von Verletzungen.

Arbeiten wir daran, notfalls weniger optimal – aber niemals falsch!

Axel Kromer 
Sportvorstand DHB

Und auch im Nachwuchsfußball ist es keine Lösung, auf die idealen Rahmenbedingungen zu warten und somit auf den Nutzen von Athletiktraining zu verzichten.

Das Projekt ANTRITT möchte Trainer, Eltern und Spieler dabei unterstützen, ihr Wissen zu erweitern und Athletiktraining im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzusetzen. Dies ist gar nicht so schwer. Es sollte aber auch nicht allzu sorglos an das Thema heran gegangen werden.

Technik und Belastungssteuerung sind wesentliche Faktoren, die darüber entscheiden, ob ein Training Nutzen bringt, wirkungslos bleibt oder schlimmstenfalls Schaden anrichtet. Im Kinder- und Jugendtraining ist dabei besondere Achtsamkeit angebracht, da sich der Organismus noch im Wachstum befindet und anders auf Trainingsreize reagiert als der eines Erwachsenen.

Mit dem nötigen Grundlagenwissen und minimalem Zeitaufwand lassen sich auch schon im regulären Fußballtraining Athletikelemente integrieren, die große Wirkung zeigen.

Athletiktraining muss aber auch nicht nur auf Vereinsebene stattfinden. Eltern können es in ihre Freizeitaktivitäten mit den Kindern integrieren und ältere Jugendspieler für sich alleine oder mit Mannschaftskameraden durchführen.

Auf ANTRITT stellen wir Euch das nötige Grundlagenwissen dafür zur Verfügung sowie zahlreiche und kreative Ideen zur Umsetzung.

Wenn Du das Projekt ANTRITT unterstützen möchtest, teile diesen Beitrag gerne mit Deinen Freunden und Bekannten!

NICHT VERPASSEN!

Athletiktraining im Fußball verstehen

 

Im nächsten Beitrag erfährst Du,

 

  • was genau sich hinter dem Begriff Athletiktraining verbirgt
  • wieso Athletiktraining und Fitnesstraining nicht dasselbe sind
  • welche Faktoren die fußballerische Leistung beeinflussen
  • welche Konsequenzen sich daraus für den Traingsalltag ergeben.
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